
Steffen Graf ist Cluster Lead Smart Automation bei der Commerzbank und Geschäftsführer der Yellow Automation GmbH, einem Tochterunternehmen der Commerzbank AG, das auf die Automatisierung und den Betrieb von automatisierten Bankprozessen spezialisiert ist.
Im Interview erklärt der Digitalisierungsexperte, wie Künstliche Intelligenz helfen kann, die Automatisierung von Backoffice-Prozessen in der Finanzbranche weiter voranzutreiben.
Wie kann KI die Prozessautomatisierung in Banken und Finanzdienstleistern unterstützen?
KI spielt in der Prozessautomatisierung von BackofficeProzessen vor allem die Rolle eines Enablers, also einer Technologie, die Daten für die Automatisierung aufbereitet. Dabei geht es um die Digitalisierung und Strukturierung von Informationen, z.B. eines Fließtextbriefes oder eines Telefonanrufs. Mit Large Language Models ist dies bereits gut möglich. Weiterführend eignet sich die Technologie auch für die direkte Interaktion mit dem Kunden. Ein Avatar kann aus einem Beratungsgespräch Informationen extrahieren und strukturieren, die wiederum die Ausgangsbasis für weitere Prozesse bilden. Diese Enabler-Modelle stellen derzeit den Hauptanwendungsfall von KI in Verbindung mit Robotic Process Automation (RPA) dar.

Kann der Einsatz von KI auch über Enabler-Modelle hinaus weitergedacht werden?
Ja, beispielsweise wenn die Entscheidungsfindung bei klassischen RPA-Anwendungen nicht eindeutig ist. Bisher arbeiten RPA-Bots regelbasiert. Je nach Situation wird über den weiteren Prozessverlauf entschieden. In Zukunft könnten mit stärkeren KI-Modellen auch unscharfe Entscheidungen getroffen werden – also auch solche, die nicht genau in ein Ja-Nein-Schema passen, sondern noch von anderen Faktoren abhängen. Das ist aber noch Zukunftsmusik.
„KI beschleuningt und verbessert RPA.“
Wie zuverlässig arbeiten die neuen KI-Modelle bereits?
Seit vielen Jahren arbeiten wir mit Texterkennungssoftware und ähnlichen Technologien. Dies hat sich vor allem bei formularbasierten Texten bewährt. Mit den jüngsten Technologiesprüngen im Bereich Large Language Models sind wir jedoch nicht mehr auf Formulare beschränkt, sondern können Informationen aus einer Vielzahl von Dokumenten oder Dateitypen extrahieren. Das ermöglicht viel mehr Anwendungsfälle und unsere Pilot Use Cases entwickeln sich sehr, sehr vielversprechend.
Wird die heutige RPA-Technologie mit KI demnächst einen Quantensprung erleben?
Wir werden immer mehr Anwendungsfälle mit KI umsetzen können, weil einerseits Daten schneller und besser aufbereitet werden und andererseits die Entwicklung der RPA-Technologie voranschreitet. Schon heute werden Programmierer von KI mit Code-Snippets oder CodeFrameworks unterstützt. RPA ist zwar ein spezieller Anwendungsfall, aber in Zukunft könnte z.B. die KI ein erstes Script-Gerüst für eine RPA-Anwendung erstellen und der Mensch müsste nur noch Anpassungen vornehmen, was die Effizienz bei der Entwicklung von Bots deutlich erhöhen würde.
Können Banken einen Automatisierungsgrad von 100% erreichen?
Dies ist nur in wenigen Anwendungsfällen sinnvoll. Natürlich können viele Prozesse zu 100% automatisiert werden. Aber der Aufwand ist zu groß. Es gibt immer Sonderfälle. Wenn ich für jede Ausnahme eine Lösung implementiere, dann steht der Automatisierungsaufwand in keinem Verhältnis zum Effizienzgewinn. Sinnvoller ist ein Automatisierungsgrad von etwa 80 Prozent. Das ermöglicht die Automatisierung von Standardfällen und zeitraubenden Dateneingaben. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind dann nur noch bei komplexeren Entscheidungen involviert und konzentrieren sich auf wertschöpfende Tätigkeiten statt auf Routinetätigkeiten oder Dateneingaben. Mit KI und PRA ist es möglich, die Arbeitsbelastung zu reduzieren und auch die Art der Arbeit zu verbessern. Nicht umsonst spricht die Yellow Automation GmbH von Cobees, also von Commerzbank-Bienen: fleißige Helfer, die im Bankalltag tatkräftig unterstützen und viele lästige Arbeiten schnell, sicher und fehlerfrei erledigen.
„Mit KI und PRA ist es möglich, die Arbeitsbelastung zu reduzieren und auch die Art der Arbeit zu verbessern.“